Vantablack – Das Schwarz, das Objekte „verschwinden” lässt
Im Science Museum in London steht hinter einer Glaswand eine Büste eines Mannes. Es ist das Gesicht des BBC-Moderators Marty Jopson. Die Statue ist stark strukturiert und das Licht umspielt geschickt seine Falten und Grübchen. Abgesehen von den nach oben gedrehten Spitzen von Jopsons Schnurrbart gibt es an dieser Büste nichts besonders Auffälliges. Daneben steht allerdings eine identische Büste, die den Verstand verblüfft. Es sieht so aus, als hätte jemand ein Loch in Form von Jopsons Kopf in die Luft geschnitten. Besucher:innen sehen nur eine klaffende, leere Schwärze. Die Textur des Gesichts verschwindet zu einer samtigen Masse. Nur von der Seite ist zu erkennen, dass die Büste überhaupt eine Dimension hat. Zu sehen ist das Phänomen: Vantablack.
Was ist Vantablack?
Der Name Vantablack steht für „Vertically Aligned Carbon Nanotube Arrays“. Während die meisten schwarzen Tinten und Beschichtungen genug Licht reflektieren, damit das Auge Textur und Dimension unterscheiden kann, ist Vantablack so schwarz, dass es das Objekt für den Betrachter praktisch in 2D darstellt. Somit ist Vantablack die dunkelste Beschichtung, die uns derzeit bekannt ist. Diese Beschichtung besteht aus Millionen winziger Nanoröhren, jede 10.000 Mal dünner als ein menschliches Haar. Genau diese Nanoröhren ermöglichen es der Beschichtung 99,965% des auftreffenden Lichts zu absorbieren.
Wie kann man sich eine solche Beschichtung vorstellen?
Steve Northam, Director of Business Development beschreibt Vantablack als einen Wald mit drei Kilometer hohen Bäumen, die viel Platz zwischen einander haben. Das Licht tritt ein, prallt von den Bäumen ab und wird absorbiert. Eine Beschichtung, die im Dunkeln praktisch unsichtbar ist, selbst wenn eine Taschenlampe direkt darauf gerichtet ist.
Der Unterschied zwischen Vantablack und Farben
Farbe, wie wir Menschen sie kennen, ist das Ergebnis wie Licht von einem Objekt reflektiert wird. Unterschiedliche Lichtfrequenzen übersetzen unterschiedliche Farben. Vantablack ist keine Farbe, sondern ein Material. Laut Surrey NanoSystems enthält eine Oberfläche von einem Quadratzentimeter etwa 1.000 Millionen Nanoröhren. Wenn Licht auf die Röhren trifft, wird es absorbiert und kann nicht entweichen. Einfach erklärt bedeutet es, dass Vantablack eigentlich die Abwesenheit von Farbe ist. Aus diesem Grund kannst du nicht einfach einen Eimer davon kaufen, einen Pinsel eintauchen und Vantablack auf deine Wände auftragen. Es muss im Surrey NanoSystems-Labor mithilfe eines komplizierten (und patentierten) Prozesses mit mehreren Maschinen, in einigen Schichten verschiedener Substanzen und extremer Hitze erstellt werden. Von Anfang bis Ende kann das Auftragen von Vantablack auf ein Objekt bis zu zwei Tage dauern. Ein Gramm Vantablack ist somit viel teurer ist als die gleiche Menge an Diamanten oder Gold.
Vantablack im Alltag
Leider ist es nicht möglich Vantablack im Alltag zu verwenden, denn die Nanoröhren sind so klein und dünn, dass sie unter dem Gewicht der menschlichen Berührung zusammenbrechen. Man kann sich die Oberfläche wie ein Weizenfeld vorstellen, bei dem jeder Weizenhalm in etwa 100 Meter hoch ist. Die Weizenhalme sind im Vergleich zu ihrem Durchmesser sehr lang und bleiben auch bei starkem Wind aufrecht, aber wenn ein Flugzeug darauf landen würde entsteht eine irreparable Delle. Vantablack ist somit anfällig für Beschädigungen, weshalb es noch nicht auf ungeschützten Oberflächen wie Autos oder High-End-Kleidern aufgetragen werden kann – eine kleine Berührung reicht und das Material würde seine Magie verlieren.
Die Einsatzgebiete von Vantablack
Die Möglichkeiten für reale Anwendungen sind ziemlich aufregend. Vantablack wird insbesondere für Kalibrierungssysteme von Weltraumteleskopen verwendet. Außerdem ist das Material zwar berührungsempfindlich, jedoch gegenüber anderen Kräften wie Stößen und Vibrationen super robust. Dies liegt daran, dass jedes Kohlenstoff-Nanoröhrchen individuell ist und fast keine Masse hat. Die Beschichtungen bestehen zudem größtenteils aus Luft. Dies macht Vantablack ideal für geschützte Objekte, die möglicherweise eine holprige Fahrt überstehen müssen, wie beispielsweise einen Weltraumstart.
Während die Luft- und Raumfahrt die Beschichtung bereits nutzt, gibt es eine große Nachfrage von verschiedenen Interessenten. Von Casinobesitzern bis hin zu Prominenten möchte jeder diese einzigartige Beschichtung auf seinen Spielwürfeln oder auch seinen üppigen Sportwagen.
Wir sind natürlich schon sehr gespannt, wo und wie wir diese einzigartige Technologie als nächstes sehen. Auch wenn wir Vantablack in naher Zukunft nicht im Alltag erleben werden, sind die neuen Anwendungen sicherlich innovativ und vielversprechend.